


Interview mit Videospielgeschichten.de
Datum: 16.06.2015André Eymann ist der Betreiber der Webseite videospielgeschichten.de, auf der er und auch andere Autoren, immer wieder tolle Geschichten und Erinnerungen vergangener Tage im Zusammenhang mit analoger und digitaler Technik veröffentlichen. Ich habe André auf Twitter kennengelernt, wo er die aktuellen News seiner Webpräsenz verbreitet. Und da wir beide sehr an die alten Zeiten gebunden sind und das Thema Retro zu unserem Hobby gemacht haben, kam es zu diesem Interview mit ihm, in den er uns etwas über sich und sein Projekt erzählt.
Domingo: Hallo André! Danke, dass Du dir Zeit nimmst und einige Fragen für uns beantwortest. Bitte stelle dich mal kurz vor.
André Eymann: Ich bin ein Videospieler der 80er Jahre und mit Pixelgrafiken großgeworden. Das bedeutet, dass ich noch mit Videospielautomaten in der Öffentlichkeit aufgewachsen bin und die ersten Heimkonsolen wie das Atari 2600 oder Schwarz/Weiß Pong-Konsolen noch in den Wohn- oder Kinderzimmern standen. Die 80er waren vom Wechsel der Spielkonsolen zu den Heimcomputern geprägt- 1984 bekam ich meinen ersten Heimcomputer einen ZX81 von der britischen Firma Sinclair zu Weihnachten geschenkt. Später folgten Commodore 16 und dann der legendäre C64. Das alles passierte bevor der erste „echte" PC populär wurde.
Domingo: Erzähl uns etwas über den Sinn und Zweck Deiner Seite.
André Eymann: Wir möchten die Erinnerungen an unsere Zeit erhalten. Und zwar aus erster Hand. Das bedeutet, dass bei uns die Videospieler, Sammler oder Macher der Videospielwelt selbst zu Wort kommen. Dabei wollen wir bewusst, subjektive und persönliche Texte anbieten. Wie Du schon erwähnt hast, wollen wir das Gegenteil einer strikt lexikalischen Auflistung sein. Bei uns geht es um Erlebnisse, Emotionen und das gesamte Umfeld, dass Videospieler bei der Ausübung ihres Hobbys bewegt. Natürlich greifen wir dennoch historische Fakten auf. Zusammengefasst könnte man viele unserer Artikel vielleicht als „Archäologische Videospiel-Essays“ verstehen.
Da es sich bei Videospielgeschichten.de um eine private und nicht kommerzielle Internetseite handelt, sind wir werbefrei und, das ist mir sehr wichtig, ohne finanziellen Druck in der Lage, unverfälschte und unbeeinflusste Texte unserer Autoren zu veröffentlichen.
Domingo: Wie bist Du auf die Idee gekommen, eine Webseite mit dieser Thematik zu publizieren?
André Eymann: Auslöser war im Jahre 2001 ein Text von Guido Frank über den Activision Klassiker Pitfall! für Atari 2600. Guido hatte seinen Artikel damals bereits auf einer österreichischen Seite publiziert. Ich betrieb zu dieser Zeit eine Seite, die mit dem Sammeln von Atari 2600 Spielanleitungen (siehe www.atari-spielanleitungen.de) befasst war.
Guido hatte die Idee, meine damalige Seite mit Artikeln zu klassischen Videospielen zu erweitern. Und so ging sein Pitfall!-Artikel auch bei mir online. Über die Jahre kamen dann immer mehr Texte und Autoren hinzu. Bis ich schließlich die Seite mit den Anleitungen ganz einstellte und Videospielgeschichten.de ins Leben rief. Fortan konzentrierten wir uns nur noch auf das Schreiben und Veröffentlichen von Texten zu Videospielen.

Der Atari 800 XL war ein beliebter Heimcomputer mit einer professionellen Tastatur. Viele klassische Arcade-Spiele wie Donkey Kong oder Qix wurden auf ihm umgesetzt. (Klicke auf das Bild zum Vergrößern)
Bild Copyright: André Eymann
Domingo: Verwaltest bzw. aktualisierst Du Deine Webseite alleine, oder unterstützt Dich jemand dabei?
André Eymann: Ich verwalte und aktualisiere die Seite selbst. Da ich sehr hohe Ansprüche an die Optik und Funktionen der Seite habe, verwendet ich kein „Standard-CMS“, sondern habe Videospielgeschichten.de vollständig von Hand aufgebaut. Dazu kommen natürlich viele weitere Aufgaben, wie das Bewerben der Seite, Akquirieren und Betreuen der Autoren oder der Einbau neuer Funktionen. Lediglich das Kommentarsystem habe ich zugekauft.
Durch die wunderbare Community im Internet habe ich aber immer wieder konstruktives Feedback erhalten oder auch ganz konkret Unterstützung beim Design. So wurden das Logo und die Piktogramme beispielweise von einem Leser meiner Seite gestaltet. Ich bin sehr dankbar für die professionelle Hilfe.
Domingo: Wie kann man sich auf Deiner Webseite beteiligen?
André Eymann: Am meisten freue ich mich über neue Textbeiträge. Was die Inhalte betrifft bin ich thematisch offen und nicht auf 8-, 16- oder 32-Bit festgelegt. Die Seite soll mit kommenden Generationen „mitwachsen“. Deshalb habe ich verschiedene Artikelkategorien (Historie, Interviews, Technik, Spiele-Reviews uvm.) eingerichtet, die für unterschiedliche Beitragsthemen zur Verfügung stehen.
Zum Text sollten mehrere Bilder in hoher Qualität beigefügt werden. Je mehr Wert auf das Detail gelegt wird, desto besser wird ein Artikel in der Regel. Da möchte ich den Lesern aber auch den Autoren gerecht werden.

Heimcomputerzeitschriften aus den 80ern sind als Zeitzeugnis und Informationsquelle für neue Artikel immer wieder wertvoll. (Klicke auf das Bild zum Vergrößern)
Bild Copyright: André Eymann
Domingo: Bist Du auch in sozialen Netzwerken aktiv? Falls ja, welche?
André Eymann: Ja. Allerdings nur bei Twitter. Die sozialen Netzwerke sehe ich eher als Unterstützung oder „Verlängerung“ von Videospielgeschichten.de. Dreh- und Angelpunkt ist meine Webseite. Der Content soll ausschließlich auf der Internetseite liegen und dort für alle frei zugänglich sein. Deshalb habe ich beispielsweise nicht vor bei Facebook aktiv zu werden. Twitter bietet sich allerdings für eine überschaubare Kommunikation mit Gleichgesinnten und für die Integration in die digitale Retroszene (Neuigkeiten, Anregungen) an.

Weihnachten 1984: der ZX81 wurde ausgepackt und der Einstieg in die Welt von BASIC begann.
Bild Copyright: André Eymann
Domingo: Welcher war Dein erster Computer?
André Eymann: Das war der kleine „Türstopper“, ZX81, von Sinclair. Der kostete damals 98.- DM. Natürlich hätte ich damals auch gern ein Atari 2600 oder gar den C64 gehabt. Aber mein Vater entschied sich für diesen kleinen Heimcomputer. Aus heutiger Sicht war es die richtige Entscheidung. Denn so lernte ich BASIC und konzentrierte mich auf die beschränkten Möglichkeiten des „Selbermachens“. Wäre mir alles vorgefertigt auf Kassette oder Diskette geliefert worden, hätte ich mich wahrscheinlich nie so intensiv mit der Entwicklung oder der Anpassung von Programmcode befasst.
Ein weiteres Erbe meine ZX81 ist die Leidenschaft für „Exoten“. Mich interessieren Rechner wie der Dragon 32, der C16, TI-99/4A oder der Bit 90 heute mehr als die weithin bekannten Systeme. Denn hier gibt es für mich immer wieder etwas Neues zu entdecken.
Domingo: Verwendest Du heute noch Retro-Computer bzw. sammelst Du Retro-Hard- oder Software?
André Eymann: Verwenden ist vielleicht das falsche Wort. Also ich sitze nicht Zuhause und entwickle zum Beispiel neue Spiele für Heimcomputer. Ich habe aber eine überschaubare Anzahl an „Lieblingen“, zu denen der C64, der Atari 800 XL oder auch eine PS2 gehören, auf dem Schreibtisch stehen. Diese Geräte benutze ich aktiv, um zu spielen oder für Artikel zu recherchieren. Darüber hinaus besitze ich verschiedene Retro-Konsolen wie den Atari Lynx oder das Sega Game Gear. Natürlich auch verschiedene Game Boys.

Der C64 wird oft für Recherchen eingeschaltet. Im Hintergrund ist ein Poster von River Raid (Activision) zu sehen. (Klicke auf das Bild zum Vergrößern)
Bild Copyright: André Eymann
Übrigens: ich bin kein großer Freund von Emulationen, obwohl ich natürlich das was Emulationen leisten, sehr schätze. Für mich gehören zum Erleben eines Systems oder Spiels auch die Haptik und das Zeitgefühl des Originals. Als einen echten „Sammler“ würde ich mich aber nicht bezeichnen. Diesen Anspruch habe ich nicht.
Domingo: Wie recherchierst Du für Deine Artikel?
André Eymann: Dank des Internet kann ich fast alle Informationen online finden und so aus verschiedenen Quellen zusammentragen. Allerdings verlasse ich mich nicht nur darauf. Neben den bereits erwähnten Heimcomputerzeitschriften, habe ich eine kleine Hausbibliothek aufgebaut, die viele Bücher über klassische Computer und Spiele beherbergt.
In diesen Büchern werden System und Spiele von damals detailliert behandelt und man erfährt beispielsweise wie teuer die Spiele damals waren, mit welchen Tricks man sie meistern konnte, oder wie der jeweilige Autor die Spiele „wahrgenommen“ hat. Diese Bücher sind ein Spiegel der Zeit und wertvolle Frühwerke der Videospiel-Literatur.

Bücher über Video- und Computerspiele. Das Spektrum reicht von 1982 bis in die Gegenwart. (Klicke auf das Bild zum Vergrößern)
Bild Copyright: André Eymann
Domingo: Wo bist du sonst noch in der Retroszene aktiv? (Andere Webseiten, Events...)
André Eymann: Ja, ich verfolge die Retroszene aktiv. Über persönliche Kontakte, befreundete Webseiten, Twitter oder auch Print-Magazine. Ich bin Abonnent des großartigen RETURN-Magazins (www.return-magazin.de) lese auch die deutsche Ausgabe der Retro Gamer und kenne mittlerweile viele Menschen hinter diesen Projekten. Ich habe viele Spielemessen miterlebt und besuche, sofern es die freie Zeit erlaubt, Retrobörsen oder Events wie die connected in Deutschlands Norden.
Besonders hervorzuheben ist hier die „Lange Nacht der Computerspiele“ in Leipzig (www.schreibfabrik.de/spielenacht) die jährlich stattfindet und ein unvergleichlich interessantes Event für Gamer und Computertechnik-Interessierte ist.
Sporadisch schreibe ich auch Gastbeiträge für andere Webseiten oder Printmagazine. Und wenn ich mehr Zeit zur Verfügung hätte, dann wäre ich vermutlich noch viel aktiver.
Domingo: Danke André für den Einblick in Dein Projekt.
André Eymann: Ich habe mich für Dein Interesse zu bedanken!
Links:
Internet: www.videospielgeschichten.de
Twitter: twitter.com/vsg_de
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